Wir müssen radikal umdenken, wenn unser Planet auch für künftige Generationen noch bewohnbar bleiben soll. Die jüngsten Warnungen, die auf der Weltklimakonferenz ausgesprochen wurden, haben das noch einmal sehr deutlich gemacht. Zentrales Problem ist neben der Emission von Treibhausgasen unser verschwenderischer Umgang mit den endlichen Ressourcen des Planeten: Wir brauchen die auf der Erde verfügbaren Rohstoffe schlicht viel zu schnell auf – das ist auf lange Sicht nicht tragbar.
Angaben der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zufolge muss unser Umgang mit Ressourcen gründlich umgewälzt werden, wenn die Defossilisierung unseres Energiesystems bis 2045 gelingen soll. Demnach verursacht das Bauwesen einen großen Anteil der Stoffströme und über die Hälfte des jährlich anfallenden Abfalls. Schuld dafür ist in nicht geringem Maße der lineare Ablauf im Bauwesen, indem Rohstoffe abgebaut, zur Errichtung von neuen Gebäuden verwendet und bei deren Abriss entsorgt werden. Auch wenn die beim Abbruch gewonnenen Rohstoffe teilweise wiederverwendet werden, reicht das bei Weitem noch nicht aus.
Die Antwort auf alle diese Probleme kann konsequenterweise nur lauten, dass die bestehende Substanz so lange wie möglich genutzt werden muss. Ein Lebenszyklus von 30 Jahren ist für ein Gebäude viel zu kurz – der Altbau von morgen muss mindestens 100 Jahre Bestand haben. Werden bestehende Immobilien länger genutzt, lassen sich nicht nur Energie und Emissionen, sondern auch große Mengen Material sparen. Das wird für den Bausektor immer wichtiger aufgrund steigender Bau- und Materialpreise. Durch eine Sanierung oder Revitalisierung kann bestehende Bausubstanz einem neuen Zweck zugeführt werden – statt dass für eine neue Verwendung gleich ein Neubau her muss. Dieser Lösungsansatz ist zukunftsweisend: Künftig muss für verantwortungsvolles und auf Dauer tragfähiges Wirtschaften schlicht längerfristig gedacht werden – das gilt im Bauwesen ebenso wie in vielen anderen Wirtschaftsbereichen.
Dabei ist der Umgang mit bestehender Substanz eine der größten Herausforderungen für die gesamte Branche. Neue Gebäude können und sollten selbstverständlich unter deutlich nachhaltigeren Aspekten geplant und konstruiert werden. Doch auch bereits bestehende, unter umweltschädlichen Bedingungen errichtete Gebäude sollten nicht leichtfertig abgerissen werden. Solange eine grundsätzlich solide Bausubstanz gegeben ist, kann eine Kernsanierung erfolgreich sein. Auf diese Weise bleibt nicht nur unter Umständen ein historisches Gebäude samt prägendem Stadtbild erhalten, sondern auch Emissionen, Material und letztendlich auch Geld können eingespart werden.
Führt schließlich kein Weg mehr an einem Abriss vorbei, gilt es, die durch den Abriss frei werdenden Ressourcen mit maximal möglicher Effizienz wiederzuverwenden. Bei diesem „Urban Mining“ genannten Ansatz werden bestehende Gebäude als Ressourcenlieferanten betrachtet – statt Eisenvorkommen und Kiesgruben wird die urbane Landschaft zur neuen Rohstoffquelle.
Möglich machen das modernste, kompakte Maschinen, mit deren Hilfe Bau- und Abrissabfälle im Idealfall noch vor Ort auf der Baustelle zerkleinert und dann möglichst ohne langen Weitertransport wiederverwendet werden – wenn nicht für einen Neubau an alter Stelle, dann zumindest dafür, um mit Beton beispielsweise Kellergruben aufzufüllen oder unebenen Straßenbau zu erneuern. Müssen die aus alter Substanz neu gewonnen Ressourcen nicht abtransportiert werden, lassen sich neben Materialien und Abfall auch CO2 und Geld sparen. Denn nicht nur ist der An- und Abtransport teuer, es werden auch mit jeder Fahrt eines Baustellenfahrzeugs zusätzliche Emissionen generiert. Diese sogenannten grauen Emissionen sind ein großes Problem und machen gemäß Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Schnitt ein Viertel der Gesamtemissionen eines konventionell gefertigten Gebäudes aus, wie die Initiative Ressourcenwende konstatiert.
Noch besser als dieses „Downcycling“ von Materialien wäre es selbstverständlich, aus den beim Abriss gewonnen Ressourcen ein komplett neues Gebäude errichten zu können. Doch auch wenn an solchen Konzepten bereits gearbeitet wird, ist es bis zur Umsetzung leider noch etwas hin.
Diese Ansätze zur Revitalisierung sollten nicht mit dem Konzept der „Circular Economy“, der Kreislaufwirtschaft, verwechselt werden. Bei diesem Ansatz geht es darum, Rohstoffkreisläufe zu schließen. Bezogen auf die Bau- und Immobilienbranche heißt das, dass keine Ressourcen verschwendet werden. Ansätze, um auf diese Art zu bauen und zu wirtschaften, drehen sich beispielsweise darum, schon bei der Planung eines Gebäudes dafür zu sorgen, dass es mit einer möglichst geringen Belastung für die Umwelt wieder abgerissen oder aber ein möglichst großer Teil der verwendeten Bausubstanz künftig wiederverwendet werden kann. „Circular Economy“ und Revitalisierung schließen sich also nicht gegenseitig aus. Im Gegenteil: Beide Konzepte ergänzen sich hervorragend und müssen sogar clever miteinander kombiniert werden, wenn die Baubranche wahrhaftig und dauerhaft nachhaltig werden soll – ein Ziel, an dem inzwischen schlicht kein Weg mehr vorbei führt.