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EU-Beschluss zur Klimaneutralität des Gebäudesektors: Es ist nicht alles Gold, was glänzt

By 9. Mai 2023No Comments
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Nun ist es passiert: Das Europäische Parlament hat als Bestandteil ihres großen klimapolitischen Maßnahmenpakets „Fit vor 55“ verbindliche Ziele für die Sanierung von Gebäuden innerhalb der EU festgelegt. Werden die mit dem neuen Beschluss umrissenen neuen Vorgaben nicht eingehalten, sollen künftig Sanktionen, beispielsweise Bußgelder, verhängt werden. Wir erklären im Detail, was es mit dem Beschluss auf sich hat.

Worum geht es?
Die sogenannte Richtlinie über die Energieeffizienz von Gebäuden (EBPD) sieht vor, dass alle neuen Gebäude ab dem Jahr 2028 „Nullemissionshäuser“ sein müssen. Öffentliche Gebäude sollen schon ab 2026 diesem Nullemissionsstandard entsprechen, der gesamte restliche Gebäudebestand in der EU soll bis spätestens 2050 nachziehen.

Der Beschluss sieht ein Klassifizierungssystem für den Gebäudebestand vor: Diese Skala reicht von A für sehr gut bis G für schlecht. Bei den Maßnahmen muss nach EU-Plänen bei den „schlechtesten“ Gebäuden mit Sanierungen begonnen werden. Noch steht nicht genau fest, bis wann welche Effizienzklasse erreicht werden muss. EU-Kommission und Parlament müssen sich zunächst noch auf eine abschließende Verordnung einigen.

Derzeit ist jedoch vorgesehen: Wohngebäude müssen bis zum Jahr 2030 mindestens Energieeffizienzklasse E erreichen. Ab 2033 darf kein Gebäude mehr unter dem D-Standard liegen. Öffentliche und Nichtwohngebäude müssen schon bis 2027 mindestens E-Standard haben und dürfen bis 2030 nicht mehr den D-Standard unterschreiten. Um diese Ziele zu erreichen, soll es Unterstützungsleistungen geben, in Deutschland etwa über die staatliche Förderbank KfW.

Was, wenn Gebäude nicht dem verlangten Mindeststandard entsprechen?
Für die jeweils schlechtesten 15 Prozent des Gebäudebestands – gemessen an der Energieeffizienz – gilt die Sanierungspflicht. Ausnahmen gibt es beispielsweise für denkmalgeschützte Gebäude. Auch Sozialwohnungen können von den Konsequenzen des neuen EU-Beschlusses ausgenommen werden, wenn eine Sanierung zu Mietsteigerungen führen würde, die nicht durch die Energieeinsparungen kompensiert werden. Die Ziele können außerdem in Ausnahmefällen angepasst werden, wenn eine Renovierung aus wirtschaftlicher oder technischer Sicht nicht sinnvoll ist oder keine Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.

Erreicht ein Gebäude nicht den entsprechenden Mindeststandard, sind dem jüngsten Beschluss zufolge künftig Sanktionen möglich. Denkbar sind etwa Geldstrafen oder zunächst nur eine Verwarnung ohne direkte Konsequenzen. Die Bundesregierung hat sich bislang gegen Sanktionierungen wie Vermietungsverbote ausgesprochen.

Was passiert nun?
Nach der Entscheidung des Europäischen Parlaments geht der Beschluss nun zurück an die EU-Kommission. Sie verhandelt ihn mit dem Parlament aus und wandelt ihn letztendlich in eine EU-Verordnung um. Diese Verordnung muss dann noch von den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten in nationales Recht überführt werden.

Nach Angaben des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) müssten aufgrund dieses EU-Beschlusses rund 45 Prozent der Wohngebäude in Deutschland innerhalb von neun Jahren saniert werden. Geschätzter Kostenpunkt: zwischen 125 und 182 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist nach Worten des Verbands mindestens dreimal mehr als die zuletzt jährlichen Investitionen in die energetische Sanierung, die die GdW mit rund 40 Milliarden Euro angibt.

Was bedeutet das für deutsche Entwickler?
Ob die Branche das finanziell stemmen kann, ist fraglich. Zumal Entwickler und Bestandshalter nach wie vor unter den Nachwirkungen der Corona-Pandemie und den Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine und Faktoren wie Fachkräftemangel, gestiegene Baukosten und Energiepreise sowie Inflation ächzen. Auch ohne diese erschwerenden Bedingungen wirkt dieser EU-Beschluss eher wie eine Art Belohnungssystem, das private Eigentümer dazu animieren soll, ihre Häuser energetisch zu sanieren. Und das alles nur, um letztendlich die selbst gesetzten Klimaziele auf Bundes- und EU-Ebene zu erreichen. Zulasten der Immobilienbranche.

Auch Bundesbauministerin Klara Geywitz ist von dem Beschluss in seiner jetzigen Form nicht überzeugt und plädiert stattdessen dafür, dass die Emissionswerte ganzer Quartiere betrachtet und gesenkt werden sollen, statt jedes Gebäude einzeln zu betrachten. In jedem Fall sind diese geplanten Zwangssanierungen, wie sie vielerorts schon betitelt wurden, äußerst kritisch zu sehen. Das sehen auch der Immobilienverband Deutschland (IVD) und der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) so.