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Gegen Wohnungsnot und für die Nachhaltigkeit: Lücken füllen mit Nachverdichtung

By 19. Juli 2022No Comments
Nachverdichtung

Der Bauraum in den Städten wird immer knapper – vor allem in den Ballungsräumen. Die Folge: Es wird bei Weitem nicht so viel Wohnraum gebaut, wie eigentlich benötigt wird. Einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge fehlen in Deutschland fast zwei Millionen Wohnungen. Ein Großteil des fehlenden Wohnraums könnte mithilfe der sogenannten Nachverdichtung geschaffen werden. Eine Studie des Pestel Instituts und der TU Darmstadt ist zu dem Ergebnis gekommen, dass allein durch solche Maßnahmen sogar bis zu 2,7 Millionen Wohnungen entstehen könnten. Ein Beispiel: Ein Gutachten, das für den Hamburger Stadtteil Lohbrügge erstellt wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass auf 17 untersuchten Teilflächen 254 bis 339 zusätzliche Wohneinheiten entstehen könnten.

Der Begriff Nachverdichtung bezeichnet im Städtebau das Nutzen freier Flächen im Bereich bereits bestehender Bebauung. Da auf diese Weise sparsam mit vorhandenen Flächen umgegangen wird, spricht man auch vom Flächensparen. Bei Flächen mit dem Potenzial zur Nachverdichtung handelt es sich häufig um Baulücken oder Restgrundstücke, wie das Umweltbundesamt festhält. Mögliche Methoden der Nachverdichtung sind unter anderem die Hinterlandbebauung, Aufstockungen oder das Andocken von Flächen. In Städten angewandt, kann die Nachverdichtung als Gegenkonzept zum Bauen in Stadtrandgebieten gesehen werden. Zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit unseren Ressourcen gehören schließlich auch die Nutzung von gegebenen freien Flächen und damit die Schonung von unbebautem Boden. Für gewerbliche Bebauung ist es in diesem Zusammenhang wichtig, brachliegende Flächen zu revitalisieren.

Mit Nachverdichtung Natur und Geldbeutel schonen

Vor allem im Sinne der Nachhaltigkeit bieten Maßnahmen zur Nachverdichtung zahlreiche Vorteile. So kann der neu geschaffene Bauraum etwa die bereits bestehende Infrastruktur der Straßen, Strom- und Wasseranschlüsse oder Telekommunikationsleitungen nutzen. Auch Einkaufsmöglichkeiten und Verkehrsanbindungen sind schon vorhanden. Private Bestandsimmobilien können durch einen Anbau auch energetisch aufgewertet werden.

Aber nicht nur die Natur, sondern auch der Geldbeutel von Käufern und Bauherren wird auf diese Weise geschont: Grundstücke, die in der Städtebauplanung als Nachverdichtungsfläche freigegeben wurden, sind in der Regel wesentlich günstiger zu erwerben als Freiflächen – denn sie sind oft zu klein für eine herkömmliche Bebauung oder ungünstig geschnitten. Da bei der Nachverdichtung unter Umständen auch bestehende Immobilienteile wie etwa Brandwände in den Neubau miteinbezogen werden können, besteht auch in dieser Hinsicht ein hohes Einsparpotenzial hinsichtlich des Baumaterials und der Bauzeit.

Brachflächen neues Leben einhauchen

Aber nicht nur für Wohnraum bestehen dank der Nachverdichtung Chancen, sondern auch für gewerblich genutzte Flächen. Genaue Daten zum innerörtlichen Brachflächenbestand in Deutschland gibt es nach Angaben des Umweltbundesamts zwar nicht, aber Schätzungen zufolge gibt es bundesweit knapp 150.000 bis 176.000 Hektar brachliegende Flächen. Auch der Deutsche Brownfield Verband gibt für ungenutzte Brachflächen in Deutschland 150.000 Hektar an – ein großes Potenzial.

Werden etwa baufällige Gebäude abgerissen oder Nachverdichtungsflächen hinzugekauft, lassen sich viele bestehende Lücken schließen. Etwa zwischen denkmalgeschützter Substanz und Altbau. So ist das etwa beim Bauprojekt „Track 16“ in Hannover geplant. Direkt am Hauptbahnhof der Stadt wird das denkmalgeschützte Gebäude der Alten Bahnmeisterei modernisiert, die dahinter stehenden unansehnlichen Nachkriegsgebäude werden abgerissen und ein Neubau hochgezogen. So sollen etwa 8.600 Quadratmeter Bürofläche entstehen – 1.500 Quadratmeter im kernsanierten Altbau, 7.600 im modernen Neubau.

Wenn neu gebaut wird, muss auch bei den gewählten Baumaterialien auf die Nachhaltigkeit geachtet und gleichzeitig die Statik berücksichtigt werden. Die klassische Lösung der Baubranche für besonders stabile Gebäude, der Stahlbeton, muss aufgrund seiner Klimafeindlichkeit dringend durch andere Baustoffe abgelöst werden. Zum Glück gibt es inzwischen vielversprechende alternative Stoffe: Glasfaser- und Carbonbeton. Aber auch mit dem guten alten Baustoff Holz lässt sich inzwischen nicht nur nachhaltig, sondern auch hoch bauen.

Von Anwohnern ist Solidarität gefordert

Allerdings ist auch in Sachen Nachverdichtung nicht alles nur rosig. In allzu eng bebauten Gebieten beispielsweise kann ein Neubau auch deplatziert oder überdimensioniert wirken. Bestehenden Immobilien können Licht und Luft genommen werden. Werden grüne Flächen bebaut, wird die Flächenversiegelung weiter vorangetrieben. In der Regel stoßen solche Maßnahmen auch bei den Anwohnern auf wenig Gegenliebe – und es regt sich Widerstand, wie etwa in einem Fall in Berlin-Treptow. Die berühmten NIMBYs (Not in My Backyard) sind nicht damit einverstanden, dass sich an ihren gewohnten Lebensumständen etwas ändert. Doch ein wenig mehr Solidarität darf man ihnen schon abverlangen. Wer in zentraler Lage wohnen will, muss auch bereit sein, zu teilen. Schließlich wird über Nachverdichtungsmaßnahmen meist dringend benötigter Wohnraum geschaffen und auf der gewerblichen Seite können brachliegende Flächen einer neuen Nutzung zugeführt werden.