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Grüne Gebäude – die mangelnde Bedeutung von Zertifikaten

By 9. August 2022No Comments
Guene-Gebaeude

Green-Building-Zertifikate nehmen rasant an Bedeutung zu: Gab es in Deutschland 2013 lediglich 550 nachhaltig zertifizierte Gebäude, waren es 2021 nach Zahlen von BNP Paribas schon 2.600. Nicht zuletzt durch die Verschärfung der EU-Taxonomie- und Offenlegungsverordnung hat sich der Trend hin zu Zertifikaten zuletzt beschleunigt. Jeder vierte Euro auf dem Immobilientransaktionsmarkt wurde laut BNP 2021 in zertifizierte Gebäude investiert, der Anteil der Green Buildings am Gesamtvolumen der Single-Asset-Deals betrug demnach 25,7 Prozent. Bei den Büro-Investments war es sogar jeder dritte Euro mit einem Anteil von 37,7 Prozent der zertifizierten Bürogebäude am gesamten Investitionsvolumen – beides absolute Rekordwerte.

Generell ist damit zu rechnen, dass perspektivisch Green Buildings den Markt beherrschen werden. Schon heute wollen institutionelle Investoren ihr Kapital fast ausschließlich in Artikel-8- oder Artikel-9-Fonds anlegen – also in Fonds, die ESG-Kriterien gerecht werden. Damit dürfte auch die Bedeutung von Zertifikaten weiter zunehmen.

Die bekanntesten und für den deutschen Immobilienmarkt relevantesten Siegel sind das US-amerikanische LEED (Leadership in Energy and Environmental Design), das in Großbritannien entwickelte BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method) und das deutsche DGNB-Siegel (Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen). Diese Zertifizierungssysteme vergeben üblicherweise Punkte für unterschiedliche Kriterien, die darüber entscheiden, ob ein Gebäude „grün“ genug ist. Je nachdem, wie gut ein Gebäude abschneidet, erhält es ein Zertifikat in unterschiedlichen Bewertungsstufen. Bei LEED gibt es etwa neben dem Basiszertifikat auch Silber, Gold und Platin, das DGNB vergibt Siegel in Bronze, Silber, Gold und Platin.

Nachhaltigkeit ist heutzutage ein Must-have – spätestens, seit die EU den Green Deal vorgestellt hat. Ein Siegel zu erhalten, ist jedoch zeit- und kostenaufwendig. Nur: Ist ein Gebäude mit einem goldenen Zertifikat tatsächlich nachhaltiger als eines mit Silber oder Bronze? Und können nicht auch Gebäude ganz ohne Zertifikat nachhaltig sein? Ungeachtet der „Kategorie“ des Zertifikats sollte man darauf achten, wie leicht oder schwierig ein bestimmtes Siegel zu erwerben ist. Das BREEAM-Zertifikat für Bestandsimmobilien erfordert beispielsweise keinerlei Sanierungen oder Optimierungen am Gebäude. Analysiert wird lediglich der aktuelle Zustand des Gebäudes in einem sehr begrenzten Umfang. Aufgrund der überschaubaren Gebühr ist das Zertifikat nicht nur einfach, sondern auch preiswert zu bekommen.

Es ist kaum möglich, verschiedene Gebäude nur anhand verliehener Gütesiegel zu vergleichen. Zu bedenken sind die länderübergreifend teils sehr unterschiedlichen Baustandards: Was in einem Land als vorbildlich ausgezeichnet wird, ist in Deutschland vielleicht längst Standard – auch ohne grünes Siegel. International können die großen anerkannten Zertifizierungssysteme für nachhaltige Gebäude zwar für mehr Transparenz sorgen und Immobilien besser vergleichbar machen. Noch besser könnten sie das aber mit einem EU-einheitlichen Siegel, das derzeit noch fehlt. Oft dienen die Siegel auch reinen Marketingzwecken – Investoren und Mieter wollen die Zertifikate um ihrer selbst willen sehen, scheren sich aber nicht wirklich um die Nachhaltigkeit des Gebäudes.

Keine Frage: Zertifizierte Gebäude erzielen üblicherweise höhere Verkaufspreise, lassen sich besser vermarkten und sind gut fürs Image. Kleinere Immobilieninvestoren und -bestandshalter können sich die Kosten einer Zertifizierung allerdings häufig nicht leisten – auch dann, wenn ihre Gebäude den nachhaltigen Anforderungen eigentlich genügen.

Wenn es wirklich um Nachhaltigkeit gehen soll, ist bei Immobilien jedoch eine andere Frage von zentraler Bedeutung: Welche Auswirkung hat der Betrieb eines bestimmten Gebäudes auf die globale Erwärmung? Beim Pariser Klimaabkommen 2015 haben sich alle Staaten dazu verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Ziel muss es daher sein, eine 1,5-Grad-Immobilie zu bauen oder ein bestehendes Gebäude zu einer solchen Immobilie zu machen.

Der CO2-Ausstoß eines Gebäudes, den die meisten Zertifikate ihrer Bewertung zugrunde legen, ist daher zunächst nur eine abstrakte Kennzahl. Diese muss zunächst umgerechnet werden, bevor ihr im Sinne der Nachhaltigkeit eine Bedeutung zukommen kann. Erst dann lässt sich verlässlich bestimmen, ob es sich bei einem Gebäude um eine 3,0-Grad-Immobilie, um eine 2,5-Grad-Immobilie oder gar um eine Paris-konforme 1,5-Grad-Immobilie handelt. Letztere wäre eine Immobilie, die das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens von maximal 1,5 Grad Celsius Erderwärmung einhält. Darauf kommt es an – Dazu treffen die diversen Zertifikate jedoch keine Aussage.

Man kann den Ansatz für das nachhaltige Bauen künftig auch noch weiter denken: Da es sich um eine globale Herausforderung handelt, reicht es nicht aus, nur die ökologische Ausprägung punktuell in einzelnen Gebäuden zu betrachten. Künftig wird es Verfahren brauchen, die den gesamten Wertschöpfungsprozess erfasst oder ganze Städte im Sinne der Nachhaltigkeit im Blick hat.