
Das Thema ESG verändert die ganze Immobilienbranche. Für Projektentwickler gehört das Thema Nachhaltigkeit inzwischen zu den wichtigsten Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt, wenn sie eine Immobilie planen – und auch Investoren achten mittlerweile vermehrt auf das ESG-Reporting ihrer Anlagen. Und es ist naheliegend, dass dabei zunächst das Gebäude in den Fokus rückt: Ein nachhaltiger Bau beginnt bereits mit den Rohstoffen, die möglichst umweltschonend hergestellt werden sollten – idealerweise können die Architekten sogar wiederverwertete Materialien wie beispielsweise Recyclingbeton verwenden. Dabei müssen die Bauherren nicht nur auf die Zusammensetzung des Materials achten, sondern kritisch prüfen, woher es kommt: Das Lieferkettengesetz ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten und verpflichtet Unternehmen dazu, darauf zu achten, dass auch bei der Gewinnung, Herstellung und Anlieferung von Baustoffen die Menschenrechte eingehalten werden.
Gebäude werden mittlerweile so gebaut, dass sie mit möglichst wenig Energie auskommen. Das ist beim Thema Neubau leicht umsetzbar. Wenn es darum geht, Gebäude zu dekarbonisieren, liegt der Fokus aber ganz klar auf dem Bestand: Alle Gebäude müssen möglichst bald so energieeffizient umgebaut werden. Doch noch bevor sie einzelne Ertüchtigungsmaßnahmen angehen, sollten Eigentümer in der Regel eine auf ihre Immobilie abgestimmte Strategie entwickeln. Vorab gilt es festzustellen, wo wie viel Energie im Gebäude verbraucht wird. Spätestens, wenn sie die Ergebnisse betrachtet, sollte ihnen klar werden: Es genügt nicht, sich in Sachen Nachhaltigkeit nur auf den Bau zu beschränken.
Einsparpotenzial durch angepasstes Verhalten ist nur wenigen Nutzern bekannt
Wenn wir unseren Gebäudebestand bis zum Jahr 2045 klimaneutral machen wollen – und das ist das Ziel der Bundesregierung – dann müssen wir auch das Verhalten der Nutzer und Nutzerinnen in den Blick nehmen. Mieter und Mieterinnen müssen sich darüber klar werden, wie wichtig das Thema Nachhaltigkeit ist und was für einen großen Einfluss ihr eigenes Verhalten auf die Energieverbräuche und auf die Kosten, die dadurch entstehen, hat. Nur, wenn auch sie ihr Verhalten anpassen und mit den Akteuren der Immobilie an einem Strang ziehen, können alle anderen Maßnahmen ihr volle Wirkung entfalten – denn ein energetisch saniertes Gebäude hat wenig Wirkung, wenn die Mieter weiterhin bei offenem Fenster die Heizung voll aufdrehen.
Es reicht nicht aus, dass sich Investoren, Projektentwickler und Eigentümer mit dem Thema ESG auseinandersetzen. Wir müssen auch die Menschen mit ins Boot holen, die die Immobilien nutzen. Das gilt für alle Assetklassen, spielt aber vor allem bei Wohnimmobilien eine herausragende Rolle. Nur, wenn Mieter und Mieterinnen verstehen, weshalb Eigentümer sich für Ertüchtigungsmaßnahmen entschieden – sei es der Einbau einer neuen Heizung oder die Dämmung der Fassade – werden sie diese auch unterstützen und bereit sein, etwas mehr Miete für die Nutzung der Immobilie zu bezahlen.
Mit angepasstem Verhalten maximal von energetischer Sanierung profitieren
Und nur, wenn sie lernen, wie sich ihr eigenes Verhalten auf die Verbräuche auswirkt, werden sie dieses anpassen und langfristig von den Ertüchtigungsmaßnahmen profitieren. Nur wenigen Mietern und Mieterinnen ist bekannt, wie viel Geld sie schon durch kleine Veränderungen einsparen können – etwa, indem sie die Heizung in den warmen Monaten komplett ausschalten, im Winter stoßweise lüften anstatt Fenster gekippt zu lassen oder bei längeren Ortsabwesenheiten die Elektronik ausschalten und die Heizkörper herunterdrehen: Studien haben gezeigt, dass Mieter und Mieterinnen bis zu 20 Prozent an Energie einsparen können, indem sie auf energieeffizientes Verhalten achten.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Wahl der Energiezulieferer: wir benötigen eine möglichst flächendeckende Versorgung mit Energie aus umweltfreundlichen Quellen. Und die Bundesregierung sollte sowohl Unternehmen als auch Privathaushalte mit entsprechenden Förderungen dabei unterstützen, umweltfreundliche Energieerzeuger wie beispielsweise Solaranlagen zu installieren, wo dies möglich und sinnvoll ist.
Angepasste Mietverträge als Anreiz zu nachhaltigem Handeln
Um diesen Wandel im Nutzerverhalten voranzutreiben, können sogenannte Grüne Mietverträge genutzt werden. Diese schreiben etwa den Rückgriff auf erneuerbare Energien vor, können Aspekte wie Arbeitnehmerrechte oder Müllvermeidung einschließen, aber auch monetäre Anreize für umweltbewusstes Verhalten beinhalten. So können Eigentümer ihre Nutzer in Aktivposten der Klimawende verwandeln.