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Publikationen

Nutzungsneutralität als sozialer Faktor?

By 25. August 2022No Comments
Merkant-Wiesbaden

Das MERKANT in Wiesbaden ist kein gewöhnlicher Bürokomplex. Im Eiltempo wurde aus dem Gebäude im Süden der hessischen Landeshauptstadt eine Unterkunft für Flüchtlinge entwickelt. Entscheidend war dabei das gute Zusammenspiel zwischen der DKW AG und der Stadt Wiesbaden.

Ein Gebäude einer neuen Aufgabe zuzuführen, ist ein langwieriger Prozess. Vor allem bei solchen Immobilien, die in speziell ausgewiesenen Gebieten, wie etwa Gewerbegebieten liegen. Gerade Genehmigungen seitens der Behörden zur Umwandlung von Gewerbeimmobilien zu Wohnimmobilien oder andersherum sind häufig ein Hindernis und lassen lange auf sich warten. Oftmals wird die starre und lediglich kommerzielle Funktion der Immobilie kritisiert. Auch der eklatante Fachkräftemangel in deutschen Handwerksbetrieben führt dazu, dass Projekte häufig eine lange Vorlaufzeit benötigen und Fertigstellungen sich verzögern. Das MERKANT verkörpert die berühmte Ausnahme. Innerhalb von nur drei Monaten konnte die leerstehende Büroimmobilie in Wiesbaden komplett umfunktioniert und von ukrainischen Geflüchteten bezogen werden.

Insbesondere der enge Austausch mit Behörden aber war ausschlaggebend. Zuvor war das MERKANT als Gewerbeimmobilie zugelassen worden und somit nicht bewohnbar. Durch die enge Zusammenarbeit konnten aber die rechtlichen Hürden überwunden und der Umbau in einem Rekordtempo vorangetrieben werden. Das nutzungsneutrale Flächenkonzept der Immobilie bot sich der DKW AG und der Stadt von selbst an. Lange Flure mit abzweigenden Räumen und die Option, durch den Einsatz oder Abbruch von Trennwänden flexibel weitere Räume abzutrennen und neu anzuordnen, boten die optimale Voraussetzung für Unterbringungsmöglichkeiten. Lokal ansässige Handwerker, darunter Sanitärinstallateure und Elektriker, begrüßten den sozialen Zweck, dem die Immobilie künftig dienen sollte, und trugen dazu bei, dass die Fertigstellung in einem sehr kurzen Zeitfenster umgesetzt werden konnte. Auch der Mietvertrag wurde in enger Zusammenarbeit mit der Stadt ausgehandelt. Auf lange, rechtliche Verhandlungen, wie sie bei einem Mietvertrag in der Größenordnung sonst üblich sind, wurde verzichtet. Durch diesen Punkt konnte ein massiver Zeitgewinn verzeichnet werden.

Die Immobilie wird mindestens in den kommenden fünf Jahren Flüchtlinge aus der Ukraine beherbergen. Im Anschluss wird das Gebäude seinem ursprünglichen Zweck zugeführt. Dafür wurden das Gebäude und die Haustechnik umfassend modernisiert. Vorgesehen ist unter anderem eine Photovoltaikanlage, die das mit Gas beheizte Gebäude mit regenerativer Energie versorgt. Zu einem Teil werden diese Arbeiten auch während des laufenden Betriebes umgesetzt.

Das MERKANT könnte zu einem Lehrstück für Projektentwickler und Kommunen werden. Die enge Zusammenarbeit hat zu einem enormen Zeitgewinn geführt, dadurch wurden erhebliche Kosten eingespart. Es zeigt sich aber auch, dass wenn ein gemeinsames Projekt verfolgt wird, weniger Reibung entsteht und das Endergebnis alle überzeugt. Auch im Hinblick auf mangelnden Wohnraum in den Städten sollte die Umfunktionierung von Gebäuden hin zu einem sinnhaften Zweck künftig auf der Tagesordnung stehen und rechtliche Hürden sollten minimiert werden.