Drei große Lebensphasen kennt jedes Gebäude: Entwicklung und Bau, Nutzung und schließlich Abriss oder Umnutzung – und alle drei Phasen sind energetisch relevant. Umso verblüffender ist vor diesem Hintergrund, dass wir aktuell beinahe ausschließlich auf die Nutzungsphase von Gebäuden schauen und versuchen, die energetischen Fußabdruck in dieser Zeit zu reduzieren.
Auf den ersten Blick kann man diesen Ansatz durchaus verstehen: Während der Gebäudenutzung lässt sich der tägliche Energieverbrauch am ehesten messen. Mit dem Einbau von Sensoren können so kleinere und größere Erfolge gefeiert werden – mal wird weniger Strom für die Beleuchtung benötigt, mal sinkt der Energieverbrauch für Heizung und Kühlung. Manch ein Investor kann sich das dann auf die Fahnen schreiben.
Aber seien wir ehrlich: Ist das tatsächlich der beste Weg, um nachhaltig Energie im Gebäudesektor einzusparen? Und was geschieht, wenn sich die Nutzer aus individuellen Entscheidungen nicht an die optimalen energetischen Verhaltensmaßnahmen halten? Oder – was mindestens ebenso häufig passieren wird – digitale Sensoren ausfallen, nachgerüstet oder ausgetauscht werden müssen?
Wir werden in Zukunft die anderen Phasen im Lebenszyklus von Gebäuden deutlich mehr in den energetischen Haushalt einbeziehen, als wir das heute tun. Das beginnt schon bei der Auswahl der Materialien, die für die Herstellung von Gebäuden verwendet werden – und dabei sollte man nicht nur an Holz und andere nachwachsende Rohstoffe denken. Was ist mit dem Recycling von bereits vorhandenen Elementen? Was ist mit der Umnutzung und Integration von Baustoffen aus Gebäuden, die abgerissen werden? Dass jede Abrissbirne Unmengen vorgefertigter und nutzbarer Bauteile zerstört, sollte uns jedenfalls zu denken geben, denn hier ließe sich ein beachtlicher Teil der für den Bau verbrauchten Energie einsparen.
Nicht minder wichtig ist die Nachnutzung. Wenn heute Gebäude zu einem bestimmten Nutzungszweck errichtet werden, dann planen wir fünfzig bis siebzig Jahre Lebensdauer ein. Warum nur, müsste man sich fragen. Wenn Gebäude heute bereits so konzipiert und errichtet werden würden, dass sie nutzungsunabhängig und damit nutzungsneutral entstehen, dann könnte man über den gesamten Lebenszyklus hinweg deutlich mehr Energie einsparen, indem man die Lebensphasen einzelner Bauteile deutlich verlängert. Dieses vielschichtige Potenzial des Gebäudesektors wird in den kommenden Jahren zum Kernelement der nachhaltigen Projektentwicklung heranwachsen. Investoren und Projektentwickler wiederum, die in diesen Bereichen frühzeitig Expertise sammeln, werden klar im Vorteil sein.